Zum Beispiel Bhutan, Kap Verde: Soll die Liste der Schwerpunktländer der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit (ÖEZA) überdacht werden? Diese Frage1 stellten wir Außenministerin Benita Ferrero-Waldner und der Asien-Fachfrau Christa Esterházy2.
Benita Ferrero-Waldner:
Vor mehr als zehn Jahren hat die ÖEZA ihre bis heute gültigen programmatischen Schwerpunkt- und Kooperationsländer ausgewählt. Mit fast allen Partnerländern gab es damals bereits eine besonders lange und intensive Zusammenarbeit, wobei die Kontakte mit Äthiopien und Burkina Faso sogar bis in die 1960er Jahre zurückreichen.
Einige dieser Partner weisen gewisse Analogien zu Österreich auf: So hat etwa die Überschaubarkeit Kap Verdes das Entstehen von Städtepartnerschaften und anderer privater Initiativen begünstigt und dem österreichischen Engagement ein deutliches Profil gegeben. Aus der Initiative einer Gruppe von Lehrern entstand über die Jahre ein vielfältiges Programm zur Renovierung und Ausstattung von Dorfschulen sowie der Lehrerfortbildung. Heute gibt es im Fall von Kap Verde ein bilateral mit der Regierung vereinbartes, umfassendes Kooperationsprogramm im Sektor Bildung.
Eine gewisse Ähnlichkeit in den naturräumlichen Gegebenheiten mit Bhutan hat bereits in den ersten Kontakten mit Österreich dazu geführt, dass man in sektorieller Hinsicht gemeinsame Problemfelder und Potentiale – wie etwa auf dem Gebiet des Energiewesens und der Forstwirtschaft – erkennen konnte. Der für beide Seiten fruchtbare Prozess der Entwicklung angepasster Problemlösungen in Form von Kleinkraftwerken sowie der Modellcharakter der vereinbarten Maßnahmen haben Österreich zu einem von Bhutan bevorzugten Partner werden lassen.
Es ist kein Zufall, dass die ÖEZA in einigen anderen Ländern genau zu jenem Zeitpunkt tätig geworden ist, als nach einer längeren Phase politischer Instabilität oder von Bürgerkriegen ein Neuanfang gewagt wurde. Nicaragua, Uganda und Mosambik können in dieser Hinsicht als Beispiele genannt werden. Diese Länderauswahl kann auch als Beleg dafür gelten, dass sich zwischen der praktizierten Solidarität von Seiten österreichischer NGOs und dem Programminteresse der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit vielfältige Synergieeffekte nutzen ließen.
In keinem der genannten Fälle besteht aufgrund der gewachsenen und bewährten Zusammenarbeit Grund zur Revision der einst getroffenen Entscheidung. Das Ziel ist hingegen eine noch stärkere Profilierung und der weitere Ausbau unserer Kooperation. Weitere Aspekte werden sich lediglich im Rahmen des neu zu definierenden Engagements im Bereich Wirtschaft und Entwicklung durch geplante zusätzliche Partnerbeziehungen mit Ländern des Maghreb, Südostasiens, Lateinamerikas und Südosteuropas ergeben.
Christa Esterházy:
Schon vor vielen Jahren, damals als Entwicklungszusammenarbeit noch Entwicklungshilfe hieß, habe ich, als Referentin für Entwicklungshilfe und Organisatorin der Fastenaktion „Familienfasttag“, darauf gedrängt, die Projektarbeit nicht vom „Gießkannenprinzip“ bestimmen zu lassen, sondern diese, durch geographische und thematische Schwerpunkte und den damit gewonnenen engen Kontakten zu unseren PartnerInnen, gezielt durchzuführen. So konnten wir auf ihre ganz speziellen Probleme und Anforderungen eingehen, gleichzeitig aber auch unsere eigenen Überzeugungen berücksichtigen.
Damit will ich sagen, dass ich auch heute keineswegs die Idee von „Schwerpunktländern“ und Sektorprogrammen ablehne, sondern dass ich der rigiden Einhaltung von Standpunkten über viele Jahre skeptisch gegenüberstehe.
Im neuen Gesetz über die Entwicklungszusammenarbeit, das im März 2002 verabschiedet werden konnte, wird nicht nur die Armutsbekämpfung als oberstes Anliegen der ÖEZA festgehalten, sondern wird auch darauf verwiesen, dass der Politikdialog zwischen ÖEZA-Verwaltung und Partnerländern eine Voraussetzung für die bestmögliche Umsetzung von Programmen sei.
Und gerade dieser Dialog muss sich den weltweiten Gegebenheiten und laufenden Veränderungen anpassen. So war es den Verantwortlichen für den „Familienfasttag“ nach einigen Jahren klar, dass den neuen politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen entsprechend Südkorea nicht mehr das einzige Schwerpunktland dieser Aktion sein dürfte, gleichzeitig aber auch, dass inzwischen neue Themen, wie etwa Fragen der Demokratisierung oder des Gender Mainstreaming prioritär behandelt werden müssten.
Auch die ÖEZA muss mit der Zeit gehen, was sie auch im thematischen Bereich tut, wenn sie etwa inzwischen die Gleichstellung von Frauen und Männern als Grundprinzip festlegt.
Im geographischen Bereich scheint Stillstand zu herrschen. So stellt sich die Frage, ob Asien, der größte und bevölkerungsreichste Kontinent, in der ÖEZA weiterhin nur mit einem Schwerpunktland, nämlich Bhutan, einem Land, das bekanntlich mit der Demokratie seine Schwierigkeiten hat, berücksichtig werden soll?
Wäre da nicht ein Umdenken am Platz? Gäbe es in Asien nicht weitere Länder – auch außerhalb der Himalaya-Region – wo etwa der Feminisierung der Armut der Kampf angesagt werden könnte, wo die ÖEZA im sozialen, schulischen, und dem Bereich Umwelt kräftig zupacken könnte? Daher meine Bitte: Umdenken, weiterdenken, nicht an etwas festhalten, nur weil es einmal richtig war.